Jörn Messner im Gespräch

„Kundenorientierung ist die unabdingbare Basis für den Erfolg“

Jörn Messner ist neuer Geschäftsführer der Lufthansa Industry Solutions. Im Interview spricht er über die aktuellen Herausforderungen für die Wirtschaft, die neue Verantwortung der Unternehmen und wie IT und standardisierte KI-Services sie unterstützen können.

Jörn Messner ist seit dem 1. Juli 2021 alleiniger Geschäftsführer von Lufthansa Industry Solutions (LHIND). Zuvor hatte er drei Monate gemeinsam mit Bernd Appel die Geschäfte geleitet. Was waren die ersten Eindrücke?

Der Einstieg wurde mir – trotz Corona und Lockdown – aufgrund der ausgeprägten Willkommenskultur bei der LHIND leichtgemacht. Mit allen Mitarbeitenden kommt man schnell ins Gespräch und merkt, dass man mit ihnen gemeinsam viel bewegen kann. Beeindruckt hat mich die Vielfalt im Unternehmen, die hohe technologische Professionalität, das umfangreiche Branchenwissen und die ziel- und kundenorientierte Herangehensweise.

Wie wichtig ist Kundenorientierung?

Das ist die unabdingbare Basis für den Erfolg – für uns und unsere Kunden. Ich selbst lege großen Wert darauf, Themen immer vom Kunden her zu denken und mir ist es wichtig, dass sich die Projekte aus der Sicht unserer Kunden und auch deren Kunden als Erfolg darstellen. Ich möchte Innovationen treiben und in Innovationen investieren, um unsere Kunden dabei zu unterstützen, in einem starken Marktumfeld erfolgreich zu sein. Unsere Leidenschaft muss es sein, die Prozesse des Kunden zu verstehen und einzuschätzen, wie Technologien helfen können, besser zu werden und ihr Geschäft noch erfolgreicher zu machen. Dafür ist es wichtig, dass wir als IT-Beratung Technologie, Produkte oder einzelne Lösungen immer aus Kundensicht betrachten.

Ich möchte Innovationen treiben und in Innovationen investieren, um unsere Kunden dabei zu unterstützen, in einem starken Marktumfeld erfolgreich zu sein.

Jörn Messner , Managing Dircetor

LHIND bedient vom Mittelständler bis zum Konzern Kunden in den unterschiedlichsten Branchen. Welches sind derzeit die größten und drängendsten Herausforderungen im Markt?

Der Marktdruck aus dem Ausland auf den deutschen Markt wird zunehmen. Darauf kann die deutsche Wirtschaft nur mit Effizienz und Produktivität antworten. Hinzu kommt die Coronakrise, die viele Firmen zu einer Transformation zwang, die in normalen Zeiten eine Dekade gedauert hätte. Nach einer Studie des McKinsey Global Institute könnte dieser erzwungene Digitalisierungsschub zu einer steigenden Produktivität der Wirtschaft führen, und das Produktivitätswachstum bis 2024 jedes Jahr doppelt so hoch sein wie in der Zeit vor Corona. Das kann bei gleichbleibend hoher Qualität aber nur durch Technologien, durch mehr Rechenleistung und Künstliche Intelligenz funktionieren.

Eine weitere Herausforderung, die das nächste Jahrzehnt stark prägen wird, ist die Entkarbonisierung. Das Thema hat deutlich mehr Präsenz als in den Vorjahren. Es gibt fast keine Industrie mehr, die kein Ziel zur Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks hat. Durch den Beschluss der Bundesregierung und des neuen EU-Klimaschutzgesetzes wächst der Druck auf Unternehmen, klimaeffizienter zu sein. Zusätzlich werden die etablierten Industrien zunehmend von neuen, frischen Ideen herausgefordert. Ein Beispiel ist die Automobilindustrie. Sie lernt zurzeit in beeindruckender Weise und Geschwindigkeit, mit dem Thema Elektromobilität umzugehen.

Wie reagieren die Verbraucher auf diese Herausforderungen?

Die Verbraucher fordern immer stärker, dass Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte übernehmen. Dazu gehört auch, eine Transparenz über Lieferketten herzustellen. Das neue Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft treten wird, verpflichtet Unternehmen verstärkt zur Einhaltung von Menschenrechten. Sie müssen dann bei ihren Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen ermitteln und wo nötig Gegenmaßnahmen ergreifen und dokumentieren.

Zudem verstärkt sich der Trend zu individuellen Produkten. Der Kunde möchte sich persönlicher angesprochen fühlen. Die Herausforderung für die Wirtschaft wird sein, diese Customer Centricity wirklich umzusetzen.

Welche Rolle spielt dabei die IT?

Bei all diesen Herausforderungen sind IT und Digitalisierung Hebel und Chance für den Erfolg. Technologie war schon immer der Treiber für Umbrüche und Entwicklung. Wir werden im nächsten Jahrzehnt einen Produktivitäts- und Effizienzschub erleben, durch Hyperautomatisierung und durch verzögerungsfreie Lieferketten. Ein Bespiel für diese Entwicklung sind Häfen, wo die Containerabfertigung mittlerweile weitgehend automatisiert funktioniert.

Wo liegen dabei die wesentlichen Unterschiede zwischen kleineren und größeren Unternehmen?

Bei größeren Unternehmen sind insbesondere individuellere Lösungen gefragt, die ganz speziell auf die Prozesse der Firma ausgerichtet sind. Als LHIND entwickeln wir in interdisziplinären Teams mit Technologie- und Branchenexpertise und gemeinsam mit dem Kunden maßgeschneiderte Lösungen für sein Geschäft.

Kleinere und mittelständische Unternehmen hingegen brauchen meiner Einschätzung nach in Zukunft immer mehr IT-Lösungen, die kompakt als Services angeboten werden. Wir starten deshalb jetzt mit dem neuen Angebot „Artificial Intelligence as a Service“. Diese schlüsselfertigen KI-Tools haben wir in verschiedenen Kundensituation für unterschiedliche Bedarfe entwickelt und bieten sie jetzt als vortrainierte Lösungen allen Branchen an. Durch Programmierschnittstellen können Anwender die Leistung von KI nutzen und davon profitieren, ohne eine einzige Zeile Code schreiben zu müssen.

Von welcher Technologie werden Kunden in den nächsten drei Jahren am meisten profitieren?

Künstliche Intelligenz ist sicherlich eine große Chance für die Zukunft, deren Anteil an IT-Projekten in den nächsten Jahren wesentlich größer sein wird. Wir werden erleben, dass in großen Projekten immer mehr KI-Elemente und AI as a Service eingebettet werden. Das sehen wir auch jetzt schon, denn unsere Kunden fordern zunehmend unsere KI-Expertise ein, um diese Technologien in ihre Projekte zu integrieren.

Digitalisierung muss Teil der DNA von Wirtschaft, Politik und Verwaltung werden.

Jörn Messner - Managing Director bei LHIND
Jörn Messner
Managing Director

Welche Anforderungen muss der Standort Deutschland bei der Digitalisierung jetzt bewältigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Digitalisierung muss Teil der DNA von Wirtschaft, Politik und Verwaltung werden. Meine Erwartung an die Politik ist, dass sie insbesondere in Programme investiert, die die für die Zukunft gefragten Berufe für alle Gruppen spannend macht, und dass sie es schafft, Deutschland zu einem gefragten Land für hochqualifizierte Fachkräfte zu gestalten. Dafür gibt es auch schon Beispiele wie das Projekt „mint:pink“ in Hamburg, Norderstedt und Bremerhaven, das sich dafür einsetzt, den Mädchenanteil in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern zu erhöhen. Solche Initiativen besitzen das Potenzial, den deutschen Wirtschaftsstandort langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Es ist aber zentral, dass Wirtschaft und Politik dafür in einen engen Austausch treten – nicht nur in der Ideenentwicklung, sondern auch in der Umsetzung.